Impuls zur Fastenzeit: Vater unser - Unser Brot

Leben sie wohl, sagt mir der Moderator am Bildschirm und meint es ernst: Kein Abschiedsgruß und keine Empfehlung zum Wohlleben. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sagt mir das Evangelium. Christen kennen auch den Nachsatz: Auch vom Worte Gottes leben! Seelische Grundversorgung für Gläubige. Auch eine Art "Armenspeisung" für Informationsübersättigte und Wortverliebte.

 

Man muss das Gute auch zulassen,

empfiehlt ein bekannter Spitzenkoch. Er spricht nicht vom guten Essen, sondern vom Glanz einer Rokokokirche, in der er interviewt wird: Das Gute zulassen, nicht nur zugreifen und hastig vereinnahmen (verschlingen) oder gierig aufnehmen und sich einverleiben – das Gute, Schöne, Wahre und Heilige. Als Nahrung, als tägliches Brot, als Lebensmittel und Lebensbrot?

Die Schrift sagt: "Wohl denen, die (oder "Selig, die…"; oder "Glücklich, die…"; oder "Gesegnet, die…") das Wort Gottes hören und es befolgen." Eine Empfehlung: Leben sie wohl mit dem Worte Gottes! Sättigen sie sich mit den heiligen Worten!

Dagegen unser Konsumalltag: Einladung zum Schnellimbiss, zum lockeren Zugriff, zum Gebrauch und Verbrauch der Dinge. Eher etwas für Grobsinnige, kein Kosten, kein Ertasten und Erspüren, Horchen oder Schauen.

Unser Spitzenkoch lässt sich hier nicht einreihen: Ein Mann sinnlicher Genüsse und zugleich mit dem Geschmack für "das ganz Andere".

Jesus muss sich von seinen Gegnern sagen lassen, er sei ein "Fresser und Säufer", weil er häufiger mit zwielichtigen Figuren zu Tische saß und sie im Namen Gottes auf seine Seite zog. Als ihn seine Jünger einmal aufforderten: "Rabbi, iss!" antwortete er (nach Johannes): "Ich lebe von einer Speise, die ihr nicht kennt" (4,32). Die Hörer dieses Evangeliums wissen es längst. Sie feiern ihn selbst in jeder Eucharistie als "Brot vom Himmel" und als " Brot des Lebens" (6,35). Sein Lebensgeheimnis aber bleibt ihnen fremd: "Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat" (Joh 4,34).

Aus der jüdischen Tradition wissen sie schon, dass alles darauf ankommt, auf die Weisungen Jahwes zu hören und seinen Willen zu erfüllen:


- "Durch dein Wort belebe mich."
- "Lehre mich deine Gesetze."
- "Deine Vorschriften machen mich froh" (s. Ps 119).
- "Ihr sollt auf das ganze Gebot ... achten und es halten, damit ihr Leben habt" (s. Dtn 8).

 

Jesus lebte davon, den Willen des Vaters ganz zu erfüllen. Die Jünger aber müssen sich sagen lassen, dass sie diese Speise nicht kennen.


Jesus nimmt für sich in Anspruch, die alten Weisungen als Gottes lebendiges Wort zu verkörpern und zu erfüllen. Damit wird er selbst zum "lebendigen Brot" für die, die auf seine Stimme hören und ihm folgen. Für die Mitbürger, die mit der Tora groß geworden sind, eine Provokation: Hier ist mehr als die Tora!

 

"Ein Wort von dir und ich kann leben"

Klingt wie ein Satz aus der Heiligen Schrift. Der jüdische Dichter Paul Celan schrieb ihn an seine Geliebte, die Dichterin Ingeborg Bachmann. Ähnlich auch Else Lasker-Schüler: "Wenn du da bist, bin ich immer reich."

So sprechen große Liebende. Auch große Berufene: "Kamen Worte von dir, so verschlang ich sie. Dein Wort war mir Glück und Herzensfreude", schreibt der Prophet Jeremia (15,16). Oder ein Psalmbeter: "Meine Seele klebt am Boden. Durch dein Wort belebe mich" (Ps 119,25).

Aus unserer eigenen Lebenserfahrung: Ein Anruf von dir, ein gutes Wort, eine E-Mail, ein Briefgruß – und ich lebe auf!

Unser tägliches Brot: Eine kleine Dosis Zuwendung und uns geht es besser! Das Wort als Lebensmittel. Ist das auch so, wenn wir die Heilige Schrift geistlich lesen?

Gottes Wort im Menschenwort als "liebende Zuwendung", die alles nur Menschliche übersteigt. "Hier spricht der Herr!" Das allumfassende, überweltliche absolute Du! Das irdisch-menschliche (kulturabhängige) Wort als Ort und Raum seiner Gegenwart: "Wenn du da bist, bin ich immer reich!" Gottes Wort in jedem Propheten, aber einmalig und unüberbietbar in Jesus: "Sein Wort ist Licht und Wahrheit. Es leuchtet mir auf all meinen Wegen" (GL 687), singen Christen.

 

Gib uns das tägliche Brot, das wir brauchen

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist bei uns gesichert. Damals in der Wüste war es anders. Das Manna bewahrte vor dem Verhungern, "Speise zur rechten Zeit"!

Bei Gutversorgten und Gesättigten haben diese alten Geschichten zwar einen Erinnerungswert als "Heilsgeschichte", aber Brotvermehrung findet wenig Anklang in einer Überflussgesellschaft.

In einer Welt, in der die Güter ungleich verteilt sind, wird der Hunger und Durst nach Gerechtigkeit nie ganz verstummen. Leben – "nicht vom Brot allein", aber doch auch von Brot, Reis und Hirse und sauberem Trinkwasser. Die Vater-unser-Bitte lässt sich nicht einfach "spiritualisieren". Je nach Lebenssituation drängen verschiedene Bedürfnisse und zeigen sich die Spielarten des Elends. Auch in unserer reichen Gesellschaft "nehmen sich einige das Leben", das ihnen fehlt. Gesättigte und Gesicherte brauchen keine Hoffnung. Sie haben, was sie brauchen.

 

Der uns leben lässt

Die Brotbitte richtet sich an den Gott, der uns leben lässt. Unser Hunger nach Brot ist Hunger nach Leben. Gläubige behaupten: Es ist im Grunde unserer Seele ein Hunger nach Gott, nach göttlichem und ewigen Leben. Brot steht für umfassendes Glück über den Tag hinaus. In der Wüste bekam Israel das Brot nur für einen Tag! Manna war nicht geeignet zur Vorratswirtschaft. Sie haben erfahren, dass Gott für sie sorgt und sie am Leben hält. Ihr gläubiges Grundvertrauen, dass ihr Leben in Gottes Hand ist, wurde erprobt. Brot steht schließlich für ein Leben in wahrem Frieden und vollkommener Freude (s. Joh 16,24).

"Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt" (Röm 8,28), sagen später die Christen. Bei Matthäus ist das Vaterunser umrahmt von einer ungewöhnlich langen Rede Jesu über die falsche und die rechte Sorge (6,19-34). Keinesfalls eine Empfehlung, planlos zu leben.

Mit der Vater-unser-Bitte um Brot bekennen wir uns zum Herrn über Leben und Tod und seiner umfassenden Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge. Ebenso im täglichen Abendgebet: "Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben."

 

Dreimal täglich

Die so genannte Zwölfapostellehre (2. Jh.) empfiehlt jedem Christen, das Vaterunser dreimal täglich zu beten – wie eine Medizin oder drei Mahlzeiten.

Solange unser Leben nicht durch Hunger und Durst bedroht ist und wir nicht die Armenküche in Anspruch nehmen müssen, hat die Bitte um Brot etwas Schwebendes (symbolisch, spirituell, real, elementar, heilsgeschichtlich).

Leibliche wie geistige Nahrungsmittel stehen uns zur Auswahl und zur Verfügung. Wir können uns auf den Märkten bedienen, den Wortangeboten und den Brotsorten aussetzen, als ob wir Herr über Leben und Tod wären.

Selbst kirchliche Feiern von "Gastfreundschaft" bleiben rituell-symbolische Gesten wohlwollenden Miteinanders, die Geschichten von der Brotvermehrung "alte Geschichten", die nur vage das elementare Gastmahl in der Wüste oder das Abendmahl Jesu nahebringen. Hier ging es buchstäblich um Leben und Tod.

Damals vollzog Jesus, was er predigte: Gott lädt zu Tisch. Die sonst Ausgegrenzten erfahren bei ihm mehr als nur eine Armenspeisung in Gestalt sozialer Anerkennung. Sie werden in die Mitte der Heilsgemeinde Jahwes gestellt und haben "in Jesus" Gemeinschaft mit ihm.

Brot des Lebens.

 

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Text: Dr. Hermann-Josef Silberberg | Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben